Seifenhaus Rohde (Auszug aus dem Buch „Vanishing Berlin“)
„1976 zog ich mit meiner Mutter in eine Wohngemeinschaft in der Nollendorfstraße 28. Das Haus ist eines der prachtvollsten in der Gegend, mit schmiedeeiserner Eingangstür, einem Treppenaufgang aus Marmor und stuckverzierten Deckengemälden. Die Belletage mit 170qm kostete damals 700 D-Mark.
Schon bald machte ich Bekanntschaft mit der feindseligen Brut der Kohlehändler, Schichtarbeiter und berufsmäßigen Trinker, die sich den Kiez mit zugezogenen Hippies, Hausbesetzern und Politsektierern teilten. Bubi und Hansi waren die unumstrittenen Herrscher der Straße. Die Brüder waren berüchtigt für ihre Brutalität und ich nahm oft große Umwege in Kauf, um ihnen nicht zu begegnen. Ihre Haupteinnahmequelle waren die örtlichen Zigarettenautomaten, die sie mit Büroklammern manipulierten. Sie wohnten gegenüber, nebenan von Seifenhaus Rohde, auch Porno-Rohde genannt. Sein Geld verdiente der alte Mann, der stets eine weiße Kittelschürze trug und sein schütteres Haar mit viel Pomade zusammenhielt, nicht mit Wischeimern und Kernseife, sondern mit Sexheftchen, die er als Bückware unter dem Ladentisch vertickte.
Mein Schulweg führte mich über die Motzstraße, die morgens um halb acht ihre traurig torkelnden Transvestiten aus den Bars ausspuckte, in die Geisbergstraße. Aus dem Klassenzimmerfenster der Finow-Grundschule fiel mein Blick auf das alte Postgebäude an der Ecke. Nach dem Krieg hatte man die Hakenkreuze aus dem roten Klinkerbau geschlagen aber die Konturen waren immer noch deutlich sichtbar. Gegenüber der Schule war das Arsenal-Kino, in dem ich mit meinen Freunden am Wochenende oft Zeichentrick- oder Winnetou-Filme angesehen habe.“
Tolle Fotos. Manche der Schriftzüge sind ja gerettet, bspw. im Buchstabenmuseum. Manche habe ich mir direkt gesichert. Salon Charlie ist leider für alle schief gelaufen… weiter so: es gibt leider immer weniger originale Leuchtreklame der Nachkriegszeit, da ticken die Uhren mächtig gegen LED und Fassadensanierung. Meine Prognose: in fünf Jahren ist das Thema in den hippen Bezirken durch.
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